UmweltDialog Greenpeace


Weltklimakonferenz in Glasgow
Die Klimakonferenz in Glasgow ist zu Ende. Ob sie eine neue Dynamik entwickelt, wird auch die kommende Bundesregierung zeigen.
Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Glasgow fand António Guterres deutliche Worte: „Scheitern ist keine Option“, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, „Scheitern ist ein Todesurteil.“ Als die Konferenz zwei Wochen später mit einem vollen Tag Verspätung und nach einem dramatischen Finale endet, zeigt das Abschlussdokument der Greenpeace-Delegation bei der COP26: Die Gefahr eines Scheiterns ist nicht gebannt, aber in Glasgow wurden Voraussetzungen geschaffen, es zu verhindern. Und dabei spielt auch die kommende Bundesregierung eine wichtige Rolle.
Worum es geht, drückte eine schlichte Zahl aus: 2,4 Grad heißer würde unsere Welt im Schnitt, wenn die Staaten ihre Klimapläne nicht schnell und deutlich nachbessern. Der Unterschied zum in Paris vereinbarten Ziel von 1,5 Grad mag gering klingen, doch für Millionen Menschen aus dem globalen Süden entscheidet dieser Unterschied tatsächlich über Leben und Tod. Auch deshalb hat Greenpeace beim Klimagipfel bewusst Stimmen unterstützt, die schon heute existenziell durch die Folgen der Klimakrise bedroht sind und die zurecht finanzielle Unterstützung fordern, falls die Folgen des Klimawandels wie Dürren die Ernte vernichten oder Starkregen Haus und Hof wegspülen. Letzteres hat uns in Deutschland zuletzt Menschenleben, viel Leid und 30 Milliarden Euro gekostet.
Der sicherste Weg, solche Katastrophen künftig zu vermeiden, ist möglichst schnell weniger Kohle, Gas und Öl zu verbrennen. Deshalb hat Greenpeace in Glasgow auf einen globalen Kohleausstieg gedrängt und gefordert, klimaschädliche Subventionen für fossile Energien schnell zu streichen. Allein in Deutschland addieren sich umweltschädliche Subventionen aus Steuermitteln auf über 60 Milliarden Euro im Jahr. Als einen ersten Schritt der anstehenden Transformation sollte die nächste Bundesregierung diese falschen Anreize sozialverträglich streichen.
Das Zeitalter der Kohle ist vorbei
Tatsächlich sind beide Punkte am Ende eines langen Finales im Plenarsaal in Glasgow beschlossen worden. Auch wenn die großen von der Kohle abhängigen Staaten Indien und China den Text auf den letzten Metern etwas abgeschwächt haben, ist die Richtung für Politiker:innen und Investor:innen klar: Das Zeitalter der Kohle ist vorbei. Obwohl dieser Beschluss nicht verbindlich ist, gibt er der Klimabewegung weltweit Rückenwind und wird Investitionsströmen eine neue Richtung geben.
Für Deutschland und die nächste Bundesregierung sind die Beschlüsse aus Glasgow ein Auftrag. Denn jedes Land verpflichtet sich darin zu mehr Anstrengungen und Sofortmaßnahmen, die bereits 2022 beschlossen werden sollen. Das macht ambitionierten Klimaschutz zur Aufgabe für die gesamte neue Koalition. Dazu gehört etwa, den Ausstieg aus der Kohle in Deutschland bis spätestens 2030 abzuschließen und der Automobilbranche einen klaren Rahmen vorzugeben, in dem die Zulassungszahlen von Elektrofahrzeugen bis 2025 schrittweise auf 100 Prozent steigen. Denn ein Konzern wie VW, der allein 1 Prozent der globalen Emissionen verursacht, trägt eine riesige Verantwortung. Entweder sorgt die Politik dafür, dass solche Unternehmen ihrer Verantwortung endlich gerecht werden, oder Gerichte müssen es tun.
Die scheidende große Koalition musste erst vom Bundesverfassungsgericht zu besserem Klimaschutz gezwungen werden. Das höchste Gericht hatte festgestellt, dass die bisherigen Klimaziele nicht reichten, um die Freiheitsrechte junger Menschen zu schützen. Eine solche Ohrfeige darf sich die nächste Regierung nicht einfangen. Mit einem mutigen Sofortprogramm kann sie zeigen, dass sie den Beschluss von Glasgow und die Grundrechte kommender Generationen ernst nimmt. Mit einer klar auf 1,5 Grad ausgerichteten Politik kann sie der europäischen und internationalen Klimapolitik neue Kraft geben. Wenn all das gelingt, dann hat Glasgow einen wichtigen Beitrag geleistet, das Scheitern zu verhindern.

Die Hochschule Eberswalde hat für Greenpeace Satellitendaten aus den Jahren 2018 bis 2020 ausgewertet. Sie zeigen, dass intensiv bewirtschaftete Forste deutlich stärker unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden als naturnahe Wälder.


Aufrüstung fördert Klimakrise
Sicherheit und Frieden bedeuten schon längst nicht mehr nur die Abwesenheit von militärischen Konflikten. Die größte Bedrohung ist die Klimakrise.
Sicherheit kann in Zukunft nicht durch Aufrüstung, sondern nur durch echten Klimaschutz gewährleistet werden. Weltweit nehmen Wetterextreme durch die Klimakrise zu und bedrohen Menschenleben, Frieden und unsere Sicherheit. Expert:innen des Internationalen Weltklimarats (IPCC) warnen in ihrem aktuellen Bericht deutlich vor den dramatischen Folgen der menschengemachten Erderhitzung.
Der Anstieg der Durchschnittstemperatur hat jetzt schon immense Auswirkungen auf unser Klima und damit auch auf unseren Alltag. Waldbrände, Fluten, Dürren oder gewaltige Stürme und Regenfälle werden immer häufiger und sind keine „Jahrhundertereignisse” mehr. Davor bieten auch keine Panzer und Kampfflugzeuge Schutz. Auch hier in Deutschland haben die zerstörerischen Überflutungen im Sommer viele Todesopfer gefordert und die Heimat vieler Menschen zerstört. Die Klimakrise ist und bleibt die größte Gefahr für unsere Sicherheit.
Interviewprojekt: Was bedeutet Sicherheit in der Klimakatastrophe?
Wir haben mit Menschen aus Deutschland und Südeuropa gesprochen, die der Klimakrise zum Opfer gefallen sind. Eine Familie aus Erftstadt-Blessem in Nordrhein-Westfalen erzählt, wie sie durch die Klimaflut in diesem Sommer alles verloren hat. Ein Arzt aus Italien berichtet hautnah, wie die Pandemie in dem stark betroffenen Land gewütet und tausende Leben gekostet hat, denn auch dies ist eine Bedrohung, der wir uns nun öfter entgegensetzen müssen. Menschen in Spanien sprechen mit uns über die katastrophalen Waldbrände in ihrem Land. Das Video zeigt, dass die Klimakrise vielen Menschen schon Heimat, Gesundheit und Lebensgrundlage genommen hat. Das Gefühl von Sicherheit hat sich dadurch stark verändert.
Noch immer sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union massiv vom Import fossiler Energieträger abhängig. Es fließen Milliarden in Militäreinsätze, die die Einfuhr von fossilen Öl- und Gasimporten bewachen und schützen, weil noch immer auf ein veraltetes Energie- und Wirtschaftssystem gebaut wird, das die Lebensgrundlage der Menschheit zerstört. Mit Aufrüstung in Milliardenhöhe und Militärmissionen zum Abbau fossiler Brennstoffe fördert Deutschland und Europa ein System, dass das Klima erhitzt und die Erde zerstört. Trotzdem sind in Deutschland die Militärausgaben auf fast 45 Milliarden Euro gestiegen, im Vergleich dazu wurden 2020 nur rund 15 Milliarden Euro für deutsche Umwelt- und Entwicklungspolitik ausgegeben. Damit muss Schluss sein! Aufrüstung blockiert den Systemwandel, den wir als Menschheit dringend brauchen, um zu verhindern, dass Teile der Erde unbewohnbar werden.
Es ist an der Zeit, dass die Politik nicht noch mehr Geld in Panzer, Kampfflugzeuge und Militärmissionen zum Schutz fossiler Energieträger steckt. Stattdessen muss in einen echten und nachhaltigen Wandel unseres Wirtschaftssystems investiert werden, der die Menschheit vor der Klimakrise schützt.
Mit “Climate for Peace” fordert Greenpeace Deutschland gemeinsam mit Greenpeace Spanien und Greenpeace Italien: “Klimaschutz statt Aufrüstung #DefendTheClimate!” Das aktuelle kapitalistische, ausbeutende System braucht dringend einen Wandel und die massive Aufrüstung blockiert den nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft. Um die Greenpeace-Forderung zu unterstützen, unterzeichnen Sie unser Friedensmanifest.


Greenpeace-Report zu Mikroplastik im Rhein
Update vom 11.11.2021:
Erst vor einem halben Jahr hatte Greenpeace einen umfangreichen Report über die Belastung des Rheins mit Mikroplastik veröffentlicht. Neue Stichproben, die Greenpeace im August zwischen Köln und und Düsseldorf nahm, belegen: Der Fluss wird weiterhin mit Mikroplastik verschmutzt. In sieben Wasserproben haben die Umweltschützer:innen durchschnittlich 0,63 fabrikneue Mikroplastikpartikel aus industriellen Produktionsabläufen pro Kubikmeter Wasser gefunden.
Somit beträgt die tägliche Fracht Richtung Nordsee grob geschätzt 125 Millionen Partikel: Die Rechnung ergibt sich unter der Annahme, dass die Konzentrationen an Mikroplastikpartikeln über den Tagesverlauf und aufgrund der Durchmischung durch die starke Strömung des Rheins annähernd gleich bleibt. Rund um den Chempark-Dormagen stieg die Verschmutzung zudem deutlich an. “Dass sich seit Jahren nichts an der Mikroplastikverschmutzung im Rhein ändert, ist unverantwortlich”, sagt Daniela Herrmann, Umweltwissenschaftlerin von Greenpeace. “Das Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen muss endlich feststellen, woher die Mikroplastikpartikel im Rhein stammen und die Verschmutzung beenden.”
Auch in zwölf Bodenproben aus dem Uferbereich und Flussbett des Rheins finden sich Mikroplastikpartikel in starker Konzentration. Bis zu 22.038 Partikel pro Kilogramm Trockengewicht lassen sich in einer der Proben aus dem Grundsediment beim Industriegebiet Chempark-Dormagen nachweisen. “Diese Plastikpartikel könnten aus industriellen Prozessen, Kläranlagen oder Verwehungen vom Ufer stammen. Im Sediment kann es Lebewesen wie Würmern oder Schnecken schaden und über die Nahrungskette das gesamte Ökosystem gefährden”, sagt Herrmann. Den aktuellen Report finden Sie hier, die vorausgegangene Untersuchung aus dem März 2021 lesen Sie hier.
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Artikel vom 18.3.2021:
Stellen Sie sich vor, Sie stehen in Köln am Rheinufer: Kommt Ihnen in den Sinn, dass der Fluss pro Tag etwa 190 Millionen Plastikkügelchen in Richtung Nordsee transportiert? Vielleicht ab jetzt: Eine aktuelle Greenpeace-Studie belegt nämlich die kontinuierliche Verschmutzung des Gewässers mit Kunststoff.
Im September und Oktober des vergangenen Jahres waren Greenpeace-Mitarbeiter:innen mit dem Aktionsschiff Beluga II auf dem Rhein unterwegs, um Wasserproben zu nehmen. Ähnliche Untersuchungen von Greenpeace gab es bereits in den Jahren zuvor in deutschen Gewässern, darum war mit dem Ergebnis zu rechnen: Wer nach Mikroplastik sucht, findet welches – in wirklich jeder der 250 an Bord genommenen Wasserproben fanden sich winzige Plastikpartikel von wenigen Millimetern Durchmesser oder kleiner. Besonders hohe Konzentrationen ließen sich in der Umgebung von Industriegebieten nachweisen.
Das Ganze ist außerordentlich schädlich für Mensch und Umwelt. Denn Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass das Plastik in unseren Flüssen auch in den Meeren landet. An der Oberfläche von Kunststoffen können sich Schadstoffe anlagern; wenn diese Teilchen von Tieren verschluckt werden, geraten Plastik und Umweltgifte in die Nahrungskette – und schlussendlich in unseren Lebensmitteln. In früheren Studien hat Greenpeace gezeigt, dass sich Plastikpartikel inzwischen in Austern und Miesmuscheln sowie im Verdauungstrakt von Heringen finden lassen.
Ursachen der Verschmutzung
Für die Studie haben Greenpeace-Umweltschützer:innen im vergangenen Herbst zunächst vom Aktionsschiff Beluga II aus zwischen Duisburg und Koblenz 44 Wasserproben genommen. Anschließend wurden von Schlauchbooten weitere 206 Proben in der Nähe von Industriegebieten bei Krefeld und Dormagen gezogen. Erstmals fanden diese Probenahmen durchgängig über 24 Stunden statt. So ließen sich die möglichen Ursachen der Verschmutzung weiter eingrenzen.
Diese Proben wurden in Greenpeace-Laboren, aber auch direkt an Bord der Beluga II, ausgewertet. In jeder Probe finden sich Plastikpartikel mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimetern. “Im Rhein wird offenbar Mikroplastik verklappt. Die Umweltbehörden in Nordrhein-Westfalen muss jetzt ermitteln, wer den Fluss verschmutzt”, fordert Daniela Herrmann, Umweltwissenschaftlerin von Greenpeace.
Plastik aus Wasseraufbereitungsanlagen?
Beispielsweise wurde in der Umgebung des Industrieparks Dormagen eine fast dreimal so hohe Konzentration von primären Mikroplastikpartikeln gefunden als im Durchschnitt einige Kilometer stromaufwärts. Primäres Mikroplastik, das ist solches, das bewusst als Ausgangsmaterial für andere Plastikprodukte hergestellt wird: kleine Kügelchen oder Pellets, die zum Beispiel in Fabriken geschmolzen und zu Verpackungsfolien gezogen werden. Neben industriellen Produktionsprozessen könnten die Mikroplastikpartikel allerdings auch aus Ionenaustauschern in Filtersystemen von Wasseraufbereitungsanlagen stammen, so eine These der Greenpeace-Untersuchung. Sogenanntes sekundäres Mikroplastik entsteht, wenn größere Plastikteile zerstört und zerrieben werden – das ist die mengenmäßig größere Belastung, die sich in unseren Meeren ansammelt.
Die potenziellen Verursacher der Plastikverschmutzung im Rhein sehen die Verfasser:innen der Studie in der Verantwortung, den Fluss sauber zu halten. “Beim Einsatz von primären Mikroplastik muss sichergestellt sein, dass die Partikel während der Produktion, des Transports, der Verwendung und der Entsorgung zu keinem Zeitpunkt in die Umwelt gelangen”, sagt Daniela Herrmann. Das meiste, was die Untersuchenden an Plastik in ihren Netzen fanden, ist vermutlich aus reiner Fahrlässigkeit ins Wasser gelangt – und stellt dort über Jahrzehnte eine Bedrohung für die Umwelt dar.
>>> Werden Sie mit uns aktiv! Unterzeichnen Sie die Petition gegen die Verwendung von Mikroplastik in der Industrie und senden Sie eine klare Botschaft an Entscheidungsträger:innen in Wirtschaft und Politik!

Report: Nicht sauber, sondern Rhein
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Greenwashing durch die EU-Taxonomie
Investitionen in Gas und Atom sollen ab 2023 als nachhaltig gelten - das hat die EU-Kommission entschieden. Was genau steckt eigentlich hinter der sogenannten EU-Taxonomie?
Wie definiert sich eigentlich der Begriff "nachhaltig"? Diese Frage wird jeder Mensch für sich unterschiedlich beantworten, im Finanzbereich sollte das allerdings exakt definiert sein. Denn grüne Geldanlagen boomen und spielen eine immer größere Rolle. Hier kommt die EU-Taxonomie ins Spiel, denn sie ist Teil des Green Deals, mit dem die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden will. Die Taxonomie-Verordnung will Gelder gezielt in solche Wirtschaftsaktivitäten lenken, die einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der europäischen Umweltziele leisten. Konkret ist zum Beispiel geplant, die Finanzprodukte auf Basis eines Punktesystems “nach dem Grad der ökologischen Nachhaltigkeit” (Art. 1 Taxonomie VO) zu bewerten. So sollen Bürger:innen und Investor:innen leichter grüne Finanzprodukte von dem mittlerweile weit verbreiteten Greenwashing unterscheiden können. Theoretisch - denn das grüne Label soll auch für Investitionen in klimaschädliche und riskante Wirtschaftsbereiche wie Gas- und Atomkraft gelten.
Und das hat Konsequenzen über die europäische Grenzen hinaus: Zwar ist die Taxonomie bisher nur als Einordnung für private Anlagen vorgesehen. Doch was die EU künftig als grünes Investment definiert, wird weltweit Signalwirkung haben. Es ist wahrscheinlich, dass öffentliche Banken wie die KfW sich an den EU-Standards orientieren werden oder die Europäische Zentralbank ihre Konditionen bei der Vergabe von Krediten an Banken entsprechend anpasst. Die Kriterien der Taxonomie-Verordnung müssen außerdem direkt von großen Unternehmen in ihren Lageberichten genutzt werden (Artikel 8) und dienen damit zur Beurteilung, wie “grün” ein Unternehmen aufgestellt ist.


"Mit dieser Taxonomie verrät die EU ihre selbst gesteckten Umwelt- und Klimaziele des Green New Deal. Deshalb fordern wir die Kommission eindringlich auf, dieses eklatante Versagen zu korrigieren und den Delegierten Rechtsakt zu Gas und Atom aufzuheben. Andernfalls werden wir Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen."
Chronik der Taxonomie
- Juli 2020: Die EU-Taxonomie-Verordnung tritt in Kraft - allerdings erst in Teilen. Die technischen Kriterien fehlen noch
- Oktober 2021 scheint ein geleaktes Papier die Befürchtungen vieler Beobachter:innen des Prozesses zu bestätigten: Das Non-Paper (eine Art inoffizielles Diskussionspapier) schlägt vor, Gas und Atomkraft als nachhaltige Energiequellen zu klassifizieren.
- Am 6. Dezember 2021 protestieren Greenpeace-Aktivist:innen vor der Ständigen Vertretung der EU-Kommission in Berlin. Mit sieben gelben Atomfässern erinnerten sie EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die Gefahren der Atomkraft. Am nächsten Tag stellen Aktivist:innen einen riesigen Dinosaurier vor dem Sitz der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates in Brüssel auf, um gegen die mögliche Aufnahme von fossilem Gas und Atomenergie in die EU-Taxonomie zu protestieren.
- 31. Dezember 2021: Die für Gesetzesvorschläge zuständige EU-Kommission legt am Silvesterabend einen Entwurf für einen Rechtsakt vor, der im Rahmen der EU-Taxonomie Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke unter bestimmten Umständen als klimafreundlich erklärt. Greenpeace und weitere Verbände forderten in einem gemeinsamen Appell von der Bundesregierung, dieses Vorhaben zu verhindern. Der Widerstand gegen den Plän der EU-Kommission wächst.
- 2. Februar 2022: Die EU-Kommission veröffentlicht ihren finalen Vorschlag, in dem Atomkraft und Erdgas weiterhin als nachhaltig eingestuft werden. Die fadenscheinige Begründung: Erdgas und Atomenergie seien angeblich die notwendige Brückentechnologie auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Stromversorgung. Da es sich um einen sogenannten Delegierten Rechtsakt handelt, tritt er nach der Verabschiedung automatisch in Kraft. Es sei denn, EU-Parlament oder Ministerrat würden die Verordnung zurückweisen.
- 14. Juni 2022: Die Wirtschafts- und Umweltausschüsse des Europäischen Parlaments stimmen gegen den umstrittenen Plan der Europäischen Kommission, Gas und Atomkraft im Rahmen der EU-Taxonomie als nachhaltig zu kennzeichnen.
- 6. Juli 2022: Das Europäische Parlament lehnt den Antrag des Wirtschafts- und des Umweltausschusses ab. Statt der erforderlichen 353 Abgeordneten votierten im Plenum in Straßburg lediglich 278 gegen den Rechtsakt zur Taxonomie. Damit gelten die Taxonomie-Regeln für den Finanzmarkt ab 1. Januar 2023.
Greenpeace kündigt noch am gleichen Tag öffentlich an, dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. - 15. Juli 2022: Der ergänzende Delegierte Rechtsakt über Gas und Atomkraft wird im EU-Amtsblatt offiziell veröffentlicht. Damit hat Greenpeace gemäß der Aarhus-Verordnung acht Wochen Zeit, einen Widerspruch vorzubereiten und bei der Kommission einzureichen.
- 19. September 2022: Ein Bündnis von acht Greenpeace-Länderüros verkündet weitere rechtliche Schritte gegen die EU-Taxonomie.
Europäischer Anti-Atomkraft-Protest
Atomkraft ist nicht nachhaltig...
Atomkraftwerke sind teuer und unrentabel, ihre Sicherheitsprobleme sind gut dokumentiert. Unfälle können in beispiellosen Katastrophen enden, und die Frage, wie man den über Generationen strahlenden Atommüll sicher endlagert, ist bis heute nicht ansatzweise beantwortet. Atomenergie ist auch nicht CO2-neutral, wie häufig behauptet. Atomkraft ist alles andere als nachhaltig. Eine EU-Taxonomie, die das Gegenteil behauptet, ist unglaubwürdig und betreibt nichts weiter als Greenwashing: Sie adelt eine Risikotechnologie mit einem unverdienten Klimaschutz-Etikett. “Wie ein Zombie droht eine totgeglaubte und gefährliche Technik derzeit zurückzukehren”, sagt Heinz Smital, Greenpeace-Experte für Atomenergie. “Dabei hat Atomkraft keine Zukunft.”
Nichtsdestotrotz sollen neue Atomkraftwerke bis 2045 als nachhaltig klassifiziert werden, wenn die ungeklärte Frage nach sicheren Endlagern bis spätestens 2050 geklärt ist. Im schlimmsten Fall bedeutete die Durchsetzung des Plans, dass in der Europäischen Union weitere Atomkraftwerke gebaut werden und tatsächlich nachhaltige Projekte das Nachsehen haben. Damit würde eine hochriskante Art der Stromerzeugung von höchster Stelle grüngewaschen.
...genausowenig wie Erdgas
Erdgas erursacht extrem klimaschädliche Methan- und CO2-Emissionen. Erdgaskraftwerke sind (unter Einbeziehung der Methanemissionen im Lebenszyklus) ebenso klimaschädlich wie Kohle. Eine Gas-Expertise von Aurora Energy Research zeigt klar: Durch die Einbeziehung von Gas in die Taxonomie kommt es absolut zu mehr Ausbau von Gas und damit mehr CO2 Emissionen. Es kommt zu einem “Lock-in” Effekt zum Nachteil von CO2 neutralen oder weniger emittierenden Alternativen. Und nicht zuletzt: Aufgrund der Funktionsweise der Strommärkte wird sowohl der Ausbau der Erneuerbaren Energien als auch der Ausbau von Speichertechnologien behindert
#NotMyTaxonomy
Was kann Deutschland dagegen tun?
Dass Atomkraft nicht nachhaltig ist, hat die österreichische Bundesregierung sich schwarz auf weiß bestätigen lassen: Ein vom Umweltministerium beauftragtes Rechtsgutachten der Kanzlei Redeker-Sellner-Dahs belegt das Punkt für Punkt, und mehr noch: wie für Österreich, kann auch die deutsche Bundesregierung auf dieser Grundlage klagen, sollte Atomenergie in die Taxonomie aufgenommen werden. Österreich hat einen solchen Schritt bereits angekündigt. Luxemburg will sich der Klage anschließen. Die Regierungen können direkt vor den Europäischen Gerichtshof ziehen und müssen nicht wie Greenpeace den Zwischenschritt eines formalen Widerspruchs gehen.
Die künftige Bundesregierung muss nachziehen, wenn der Atomausstieg kein allein deutsches Projekt sein soll – nicht zuletzt, weil bei Unfällen in den grenznahen AKW in Frankreich und Belgien die deutsche Bevölkerung genauso unter den Folgen litte. “Auch Deutschland muss von Anfang an klar machen, dass eine Taxonomie, die Atomenergie als grün und nachhaltig erklärt, beklagt wird”, sagt Smital. “Es kann nicht sein, dass eine Regierung mit grüner und sozialdemokratischer Beteiligung hier tatenlos bleibt.”
Atomausstieg nicht vollendet
Dabei ist selbst in Deutschland die Atomkraft bisher nicht völlig vom Tisch. Derzeit produzieren zwei Atomfabriken in Lingen und Gronau Brennstoff für Reaktoren in ganz Europa. Darunter befindet sich auch der überalterte Reaktor im belgischen Tihange nahe der deutschen Grenze, der von Expert:innen des Bundesumweltministeriums als nicht ausreichend sicher eingestuft wird. Die Brennelementproduktion verursacht zudem zusätzlichen Atommüll, dessen Entsorgung bisher ungelöst ist. „Vor diesem Hintergrund muss das Gesetz zum Atomausstieg in Deutschland auf die Brennelementproduktion und die Urananreicherung erweitert werden“, fordert Smital. „Der hierfür nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erforderliche ‚legitime Zweck‘ liegt vor.“


Zug statt Flug – Greenpeace-Report zu Bahnalternativen
Ein knappes Drittel europäischer Kurzstreckenflüge lassen sich schon heute bequem mit der Bahn absolvieren. Das zeigt ein heute veröffentlichter Greenpeace-Report.
Die Zahlen klettern wieder. Noch sind es die Corona-Vorschriften, die für lange Schlangen an den Flughäfen sorgen. Doch die Branche hat das Vorkrisenniveau schon fest im Blick. Und danach sollen die Passagierzahlen weiter steigen. Bis 2040 wird sich die Zahl der Fluggäste mehr als verdoppeln, prognostiziert das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) 2019. Für den Klimaschutz ist das rasante Wachstum ein Problem. Fliegen ist zwölfmal so klimaschädlich wie Bahnfahren. Schon heute kommt der Verkehr nicht vom Fleck beim Senken der Emissionen. Seit 1990 ist der CO2-Ausstoß im Verkehr nicht gesunken. Ohne zusätzliche Maßnahmen, wird der Bereich seine gesetzlich festgeschriebenen Klimaziele für das Jahr 2030 meilenweit verfehlen, bestätigte gerade erst der jüngste Projektionsbericht der Bundesregierung.
Zu nötigen Sofortmaßnahmen gehört auch ein Aussetzen von Kurzstreckenflügen, die schon heute bequem mit dem Zug zu absolvieren sind. Wie viele es davon gibt, zeigt der neue Greenpeace-Report „Auf die Schienen, fertig, los“. Er untersucht die 250 am meisten geflogenen Verbindungen in Europa. Das Ergebnis: Ein knappes Drittel (29 Prozent) dieser europäischen Flugverbindungen sind schon heute in weniger als sechs Stunden mit dem Zug zu erreichen.
Kurzstreckenflüge müssen ausgesetzt werden
Für weitere 15 Prozent bestehen direkte Nachtzugverbindungen. „Es ist ein Irrsinn, dass in einer sich beschleunigenden Klimakrise zum Beispiel gut 2 Millionen Menschen pro Jahr zwischen Frankfurt und Berlin fliegen, obwohl sich die Strecke in vier Stunden mit dem Zug absolvieren lässt“, sagt Greenpeace Bahnexpertin Lena Donat. „Wenn die kommende Bundesregierung es mit dem Klimaschutz ernst meint, muss sie das Bahnangebot weiter ausbauen und klimazerstörende Kurzflüge beenden.“Deutschland kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Fast ein Drittel der 250 europäischen Top-Flüge, die gut 85 Prozent aller Flugpassagiere ausmachen, starten oder landen in Deutschland. Zuletzt beteuern Politiker wie Verkehrsminister Andreas Scheuer die Bedeutung des europäischen Zugnetzes, scheuen aber politische Schritte, um diese Verbindungen konsequent zu stärken.

Greenpeace-Report: Bahnalternativen zu Kurzstreckenflügen in Europa
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Brand Audit Report 2021 von Break Free From Plastic
Update vom 25.10.2021:
Seit vier Jahren ruft die Initiative Break Free From Plastic, an der auch Greenpeace beteiligt ist, zum weltweiten Plastikmüllsammeln auf: Dieses Jahr sind insgesamt 11.814 Freiwillige in 45 Ländern, auf sechs Kontinenten der Aufforderung gefolgt; in Deutschland waren 25 Greenpeace-Ortsgruppen an der Aktion zum World Clean-Up Day am 18. September beteiligt. Dabei ging es nicht nur darum, Strände, Wälder und Parks von Müll zu säubern – die Plastikteile wurden in der Folge gezählt und dokumentiert, um Aussagen über die größten Plastikverschmutzer der Welt zu treffen.
In solchen „Brand-Audits“ bei denen die gefundenen Plastikverpackungen den verantwortlichen Unternehmen zugeordnet werden, wurden 2021 weltweit insgesamt 330.493 Stück Plastikmüll gesammelt und analysiert. Die meisten Funde von Plastikmüll gehen auf Unternehmen wie The Coca-Cola Company, PepsiCo, Unilever, Nestlé oder Procter & Gamble zurück. Coca-Cola führt diese Liste zum vierten Mal in Folge an. Den vollständigen Report finden Sie hier.
Es handelt sich bei dem gefundenen Plastik vor allem um Einwegverpackungen, die mit fossilen Ressourcen hergestellt werden – in exzessiven Ausmaßen, die Konsequenzen für das Weltklima haben. Laut Prognosen soll sich die weltweite Plastikproduktion bis 2050 verdreifachen, nimmt man das Volumen von 2015 zum Vergleich. Die damit verbundenen Treibhausgasemissionen würden zehn bis 13 Prozent des weltweit verbleibenden Emissions-Budgets aufbrauchen. Um die Erderhitzung unter 1,5 Grad Celsius zu stabilisieren, steht der Welt laut Pariser Klimaabkommen nur noch eine begrenzte Menge an CO2 zu, die von Industrie und Verkehr in die Atmosphäre gebracht werden darf.Unternehmen wie Coca-Cola und Unilever tragen für einen gewaltigen Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen Verantwortung – und müssen mit politischem Druck zum Einlenken gebracht werden: “Die zukünftige Bundesregierung muss das Zeitalter der klimaschädlichen Einwegverpackungen beenden und sich jetzt klar zu flächendeckenden und standardisierten Mehrwegsystemen für eine klimagerechte Zukunft bekennen”, sagt Viola Wohlgemuth, Greenpeace-Expertin für Konsum und Kreislaufwirtschaft. “Das bedeutet eine Mehrwegpflicht für Supermärkte, über die Gastronomie bis zum Onlinehandel.”
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Artikel vom 2.12.2020:Ohne sie würde es nicht funktionieren: Müllsammler*innen in Ghana, Brasilien, Indien oder auf den Philippinen sind das oft zu Unrecht vergessene Rückgrat des Recyclingsystems. “Ich halte meine Stadt sauber, das verschafft mir Zufriedenheit”, sagt Asha, die in Indien Plastikabfälle einsammelt und nach Verwertbarkeit trennt. Menschen wie sie kämpfen an vorderster Front gegen die Plastikflut, und sie sehen am genauesten, wo die Probleme liegen.
Der jährliche Brand Audit der weltweiten Initiative Break Free From Plastic, an der sich auch Greenpeace beteiligt, ist eine Markenanalyse der größten Verschmutzer durch Einwegplastik. Das heißt, die Auswerter*innen schauen: Wer ist wo für wieviel Plastikmüll verantwortlich? In diesem Jahr befasst sich der Report auch mit der Lage der Müllsammler*innen, die in vielen Ländern die Wiederverwertung von Kunststoffen erst möglich machen. Obwohl sie unverzichtbare Arbeit leisten, erfüllen sie in den seltensten Fällen eine offizielle Funktion – sie machen das freiberuflich, um etwas Geld zu verdienen.
Indem sie den recycelbaren Müll sortieren, helfen sie Unternehmen sogar, ihre Nachhaltigkeitsversprechen zu erfüllen. Dabei sehen die sogenannten “Wastepicker” allerdings auch, wo die Firmen sie brechen. Denn das, was tatsächlich in die Wiederverwertung geht, wirkt klein im Vergleich zu den Bergen an unverwertbarem Einwegplastik, das von multinationalen Konzernen produziert wird.
Die Überraschung bleibt aus, der Skandal nicht


Insgesamt 346.494 Plastikteile aus 55 Ländern hat Break Free From Plastic – unter anderem mit Hilfe der Müllsammler*innen – in diesem Jahr ausgewertet. Eine große Überraschung gab es dabei nicht und hat wohl auch niemand erwartet: Die Coca-Cola Company, PepsiCo und Nestlé sind erneut die größten Verursacher von Kunststoffmüll weltweit. Der Skandal ist deswegen aber nicht geringer: Nach wie vor weisen diejenigen, die den Planeten in die anhaltende Plastikkrise manövriert haben, jegliche Verantwortung von sich und betreiben – solange das Geschäft sich lohnt – weiter “business as usual”.
Führend ist zum dritten Mal in Folge Coca-Cola. In 51 Ländern wurden insgesamt 13.834 Stück Verpackungsmüll zum Konzern gehörender Marken registriert – mehr als die beiden im Ranking nachfolgenden Firmen PepsiCo und Nestlé zusammen. Diese Ergebnisse zeigen zudem einen deutlichen Anstieg der Müllmenge: 2020 kamen in 14 Ländern 2102 mehr Kunststoffmüll-Teile aus dem Hause Coca-Cola zusammen als bei der weltweiten Zählung des vergangenen Jahres.
Derweil gibt es seitens der Unternehmen bloß Greenwashing und Scheinlösungen. “Diese Unternehmen behaupten, die Plastikkrise anzugehen, investieren aber weiter in die falschen Antworten darauf. Dabei arbeiten sie mit Ölkonzernen zusammen, um noch mehr Plastik zu produzieren”, sagt Manfred Santen, Greenpeace-Experte für Chemie. “Um diese Entwicklung zu stoppen und die Klimakrise zu bekämpfen, müssen die Verursacher ihre Abhängigkeit von Einwegverpackungen beenden und sich von fossilen Brennstoffen lossagen.“
Dreimal so viel Plastik bis 2050?
Danach sieht es allerdings derzeit nicht aus, und die vorliegende Analyse bestätigt das erneut. Wenn die Entwicklung weitergeht wie bisher, könnte sich die Kunststoffproduktion bis 2030 verdoppeln und bis 2050 sogar verdreifachen, so die Verfasser*innen des Reports.
Für die Müllsammer*innen im globalen Süden, in Ländern ohne effiziente Entsorgungssysteme, bedeutet die vermehrte Produktion von nicht-wiederverwertbaren Plastikverpackungen außerdem, dass sie bald ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können: Geld gibt es nur für Wertstoffe, also Recyclebares. “Ich kann es mir nicht leisten, meine Arbeitszeit damit zu verbringen”, sagt Asha und zeigt auf Portionsbeutelchen für Ketchup und Instantkaffee. “Unsere Abflüsse verstopfen damit, während sich die großen Unternehmen die Taschen vollmachen.” Einwegplastik ist für alle ein mieses Geschäft – nur nicht für die Verschmutzer.
>>> Die Zukunft ist unverpackt oder gehört Mehrweglösungen! Schreiben Sie der Bundesumweltministerin Svenja Schulze, damit sie verpackungsfreies Einkaufen für Handel und Kund*innen möglich macht.